Fast täg­lich wird in den Medien das Problem des star­ken Frankens dis­ku­tiert. Scheinbar ist es der so “unab­hän­gi­gen” Schweiz nicht mög­lich ohne län­ger­fris­ti­ge unvor­her­seh­ba­re Nebenwirkungen den Anstieg ihrer Währung zu bremsen.

Die Eurokrise ist in Wahrheit auch eine Frankenkrise

Obwohl eini­ge Eurostaaten stark ver­schul­det sind, hat sich der Euro seit sei­ner Einführung im Jahre 1999 gegen­über sei­ner Handelspartner nicht abge­schwächt. Gegenüber dem US-Dollar (USD) und dem bri­ti­schen Pfund (GBP) hat der EUR über 20% zugelegt:

Zudem lag die Verschuldungsquote der Eurostaaten noch vor der Finanzkrise tie­fer als bei der Einführung ihrer Gemeinschaftswährung. Die aktu­el­le Staatsverschuldung der Eurostaaten kann nicht dem Euro ange­las­tet werden.


Quelle: Spiegel 10.08.2011 — Wie bank­rott ist die Welt?

Japan hat mit über 200% des BIP die höchs­te Verschuldung der Industrienationen, trotz­dem war der Yen (JPY) seit 1999 eher eine star­ke Währung. Die Simplifizierung der mög­li­chen kau­sa­len Zusammenhänge zwi­schen Staatsverschuldung und deren Währungsstärke genügt bes­ten­falls der Propaganda bestimm­ter Politiker und Medien. Letztendlich wird der CHF von den Märkten viel zu hoch bewer­tet. Zudem zeigt die­se Schuldenlandkarte, dass es auch etli­che indus­tria­li­sier­te Länder gibt, des­sen Verschuldung weit­aus gerin­ger aus­fällt als die der Schweiz.

Grossbritannien (UK) und Spanien im Vergleich

Beider Länder wur­den stark von der Finanz- und Wirtschaftskrise getrof­fen. Spanien ist ein Euroland und UK als EU-Land hat noch immer ihre GBP-Währung. Übrigens wur­de von den schwei­ze­ri­schen bür­ger­li­chen Parteien noch bis ins Jahr 2003 die Wirtschaftspolitik des UK als vor­bild­lich für die Schweiz lob­ge­prie­sen. Glücklicherweise sind wie die­sem “Vorbild” nicht gefolgt. Wie oft von den Politikern und Ökonomen geprie­sen, konn­te UK ihre eigen­stän­di­ge Währung abwer­ten las­sen. Spanien hin­ge­gen kann kei­ne eige­ne Währungspolitik betrei­ben und muss mit dem stär­ke­ren EUR gegen­über bei­spiels­wei­se dem GBP aus­kom­men. Aber seit 2008 sind die spa­ni­schen Exporte stär­ker gestie­gen als die im bri­ti­schen Königreich. Zudem lei­tet UK unter einer zuneh­men­den Inflation, wäh­rend die­se in Spanien weit­aus gerin­ger aus­fällt. Eine eigen­stän­di­ge Währungspolitik ist noch längst kein Garant für den Erfolg!

Politiker und der angeblich wirtschaftliche Erfolg der Schweiz

Was viel mehr stört, ist die gebets­müh­len­ar­ti­ge Wiederholung gewis­ser Parteimitglieder der bür­ger­li­chen Parteien, wie gut die Schweiz durch die Finanzkrise gekom­men sei. Dabei sind gewis­se Begründungen für den angeb­li­chen Erfolg der schwei­ze­ri­schen Wirtschaft wenigs­tens amü­sant wen auch nicht zutreffend:


Quelle: DRS1, Samstagsrundschau vom 3.09.2011 — Christophe Darbellay, CVP-Parteichef
Gemäss CVP-Parteichef Christophe Darbellay sind Parteikollegin und Bundesrätin Doris Leuthard sowie die Abwesenheit der fran­zö­si­schen 35-Stundenwoche die Erfolgsindikatoren unse­rer Wirtschaft. 

Bundesrat Schneider-Ammann kon­stru­iert eine Kausalität zwi­schen Personenfreizügigkeit und wirt­schaft­li­chen Erfolg:


Quelle: AZ vom 30.06.2011, Schneider-Ammann

In die­sem Beispiel wird durch einen FDP-Politiker ideo­lo­gisch mit den Vorteilen der Personenfreizügigkeit als Krisenbewältiger gewor­ben. Es ist nicht sicher ob die Finanz- und Wirtschaftskrise been­det ist und ander­seits wür­de bei­spiels­wei­se ein SVP-Politiker eine ande­re Ursache für die angeb­lich bes­se­re Krisenbewältigung der Schweiz ablei­ten. Herr Blocher bei­spiels­wei­se sieht den wirt­schaft­li­chen Erfolg der Schweiz in der direk­ten Demokratie und den “tie­fen” Steuern, sie­he “Herr Blocher und sei­ne SVP sind ein­fäl­tig gewor­den”.

Bundesrat Schneider-Ammann sieht die Frankenkrise auch im Schuldenproblem des euro­päi­schen Umfeldes. Anderseits basie­re die bes­se­re wirt­schaft­li­che Situation der Schweiz auf dem Konkordanzsystem und dem par­tei­über­grei­fen­de zusam­men­hal­ten. Eingestehen muss die­ser Bundesrat die Machtlosigkeit des eige­nen Handelns:


Quelle: DRS1, Samstagrundschau vom 6.8.2011 — Schneider-Ammann: «Keine Negativ-Zinsen»

Mit Pirmin Bischof, Mitglied des Parteipräsidiums und Sprecher für Wirtschafts- und Finanzfragen der CVP Schweiz ist für mich der unum­strit­te­ne Sieger von nicht zutref­fen­den Aussagen zu den Kausalitäten von too big to fail zu Grossbanken bzw. Spekulation zu Frankenstärke:


Quelle: Filippos Politarena vom 24.08.2011 — Pirmin Bischof in Eurokrise und har­ter Franken — Die Folgen für die Schweiz! Wie sieht die Zukunft aus?

Es ist schon fast bewun­derns­wert, was die­ser Politiker in 67 Sekunden für einen Quatsch von sich gibt. Die schwei­ze­ri­sche Grossbankenregulierung kann nicht ver­hin­dern, dass eine Grossbank in Schieflage gerät und die schwei­ze­ri­sche Wirtschaft in den Abgrund reist. Nur wenn eine Bank geord­net unter­ge­hen kann, ist das too big to fail-Problem gelöst. Auch sind es Währungsspekulationen, die den CHF in über­trie­be­ne Höhe heben. Die fol­gen­de Tabelle konn­te ähn­li­cher Form in den letz­ten Monaten des Öfteren beob­ach­tet werden:


Quelle: Cash vom 5.09.2011 — CHF SPOT RATES

Alle han­dels­üb­li­che Währungen ver­lie­ren an einem Handelstag gegen­über den CHF. Damit hat sich der CHF gera­de für das “Algorithmic Trading” bes­tens emp­foh­len. Wahrscheinlich inter­es­sie­ren sich die meis­ten die­ser quan­ti­ta­tiv ori­en­tier­ten Händler nicht im gerings­ten für die wirt­schaft­li­chen Fundamentaldaten der Schweiz. Solange der CHF eine sehr sta­bi­le nega­ti­ve bzw. posi­ti­ve Korrelation zu ande­ren Devisen- und Aktienkurse bzw. Goldpreis auf­recht­erhält, wird die­ser ein Spekulationsobjekt ers­ter Güte blei­ben. Es stellt sich die Frage, war­um der CHF die Spekulanten und nicht bei­spiels­wei­se die nor­we­gi­sche Krone (NOK) anzieht.

Herr Beat Wittmann, CEO Dynapartners sieht fol­gen­de Gründe für den star­ken CHF:


Quelle: Bilanz Standpunkte vom 28.08.2011 — “Euro-Krise”: Welche Rezepte braucht es jetzt?

Die wirtschaftlich erfolgreichen Länder im Norden von Europa

Kürzlich mach­te ich eine Reise durch Deutschland, Finnland, Schweden, Norwegen und Dänemark. Finnland, Schweden und Dänemark sind EU-Mitglieder, aber nur Finnland hat den Euro. Norwegen ist ein Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraum (EWR).

Auch die Länder Nordeuropas sind mehr­heit­lich erfolg­reich unter­wegs. Solange die­se Länder erfolg­reich sind, wer­den die Protagonisten der bür­ger­li­chen bzw. rechts­bür­ger­li­chen Parteien der Schweiz tun­lichst ver­mei­den die Namen die­ser Länder in den Mund zu neh­men. Diese Länder belas­ten ihre Bürger mit mehr Steuern, zudem gibt es weit­aus weni­ger Ungleichheit bei der Einkommens- und Vermögensverteilung im Vergleich zu der Schweiz. Auch die fami­li­en­freund­li­che Politik hat einen viel höhe­ren Stellenwert in die­sen Ländern als in der Schweiz. Ein mehr an Steuern, Gleichheit und Familienpolitik steht natür­lich nicht in der poli­ti­schen Agenda der rech­ten Parteien. 

NOK ist fundamental besser als CHF

Seit 1975 hat Norwegen die höchs­te Bonitätsnote der Ratingagentur Standard & Poors’s. Zudem besit­zen die Norweger einen Staatsfonds der cir­ca USD 600 Milliarden schwer ist. Die Schweiz hat mir ihren zwei Grossbanken ein gigan­ti­sches Klumpenrisiko, beträgt doch deren Grösse zum schwei­ze­ri­schen BIP mehr als 300%. Im Currency Outlook unter dem Titel “NOK has beau­ty, but not ever­yo­ne sees it” der HSBC Global Research vom July 2011 wer­den die Vorteile des NOK im Vergleich zum CHF aufgeführt.

Seit Februar 2008 hat die nor­we­gi­sche und schwe­di­sche Krone (SEK) kaum gegen­über dem EUR auf­ge­wer­tet. Es ist ein wei­te­rer Indikator, dass wir eine Frankenkrise und nicht eine Eurokrise haben. Schweden hat­te im Jahr 2010 ein Wirtschaftswachstum des rea­len BIP von 5.7% und damit mehr als das dop­pel­te der Schweiz.

Fazit

Die schwei­ze­ri­schen Politiker kön­nen erwar­tungs­ge­mäss objek­tiv nicht ergrün­den, war­um die Schweiz bes­ser als die meis­ten ande­ren indus­tria­li­sier­ten Länder bis­her durch die Krise gekom­men ist. Fast jedes Parteimitglied sieht die Welt durch sei­ne von der Erziehung und poli­ti­schen Einstellung gepräg­tes Weltbild. Wir wäh­len Menschen in poli­ti­sche Ämter, die nur über eine sehr ein­ge­schränk­te Wahrnehmung ver­fü­gen. Fakten, die im Widerspruch mit ihrer wirt­schaft­li­chen und poli­ti­schen Ideologie ste­hen wer­den schlicht­weg igno­riert. Wer den Erfolg nicht eini­ger­mas­sen plau­si­bel erklä­ren kann, von dem dür­fen wir auch kei­ne wir­kungs­vol­len Lösungen in der Krisenbewältigung erwarten.

Die Gebetsmühlenartige Wiederholungen der Politiker und Medien von undif­fe­ren­zier­ten Zusammenhängen wie bei­spiels­wei­se Staatsverschuldung und wei­che Währung ist mit Japan wider­legt. Auch der oben erwähn­te Vergleich UK und Spanien zeigt, das ein Land auch mit einer eige­nen Landeswährung nicht auto­ma­tisch bes­ser aus einer Krise her­aus­kommt. Die Realität ist oft­mals kom­ple­xer als die Vereinfachungsmechanismen einer poli­ti­schen Ideologie noch sinn­vol­le und hilf­rei­che Modelle erzeugen.

Mir fällt es immer schwe­rer, die­sen von ihren Parteien geis­tig an der Leine gehal­te­ne Politiker zu wäh­len. Gewisse Politiker wie bei­spiels­wei­se Herr Blocher grei­fen bei der Bekämpfung des über­teu­er­ten CHF gar auf Kriegsrhetorik zurück. Scheinbar hat die­ser Politiker ver­ges­sen, das ein Krieg gegen ande­re Menschen (Lebewesen) mit Waffen geführt wird. Über die­ses Thema habe ich schon in “Der Sinneswandel bei Blocher, Schiltknecht und Weltwoche” geschrie­ben.

Es gibt ver­schie­de­ne Gründe für die Überbewertung des CHF. Sicherlich ist der CHF, wie von Herrn Beat Wittmann erwähnt, die tra­di­tio­nel­le Fluchtwährung. Anderseits sorgt unser über­di­men­sio­nier­ter Finanzplatz, für ein zu viel an Propaganda und Anreize den CHF im Ausland zu kau­fen. Der stei­le Anstieg und damit die Übertreibungen beim CHF kön­nen seit Mitte 2010 sicher­lich gröss­ten­teils der Spekulation ange­rech­net wer­den. Das weni­ger gut aus­ge­bau­te Bankensystem in Norwegen ist wahr­schein­lich einer der Hauptgründe, war­um der NOK weni­ger als Spekulationswährung taugt als der CHF.

Ein Gedanke zu „Der Schweizer Franken, die Zockerwährung schlechthin — Teil 1

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