Die Wirtschaft ist wie ein Supertanker, sie bewegt sich träge in der eingeschlagenen Richtung, auch wenn das Steuer herumgerissen wurde, vielleicht ist es dann noch immer auf dem falschen Kurs oder erst recht.
Viele Anleger beurteilen die Konjunkturentwicklung anhand ihrer Wetten auf den Aktienkursen. Gestern hinauf –> der Wirtschaft wird es besser gehen. Heute hinab –> der Wirtschaft wird es noch lange schlecht gehen. Es ist gefährlich, das zukünftige Wirtschaftswachstum auf Grund der Wertveränderungen des eigenen Portfolios zu beurteilen. An den Börsen hat sich die Stimmung sehr aufgehellt, bleibt nur die Frage ob diese Hoffnungen auch von der Wirtschaft erfüllt wird.
Konjunkturaussichten
3.–16.7.2009 (14/2009) stocks: “Ich halte die Inflationsgefahr führ sehr gering”
Wann ist die Talsohle erreicht?
Antwort von Jan-Egbert Sturm, KOF ETH Zürich:
Das sollte Mitte des nächsten Jahres der Fall sein, in Europa wahrscheinlich Ende dieses Jahres. Und in den USA rechnen wir ab dem dritten Quartal 2009 mit einem steigenden Wirtschafts-Output.
Apropos Kaufkraft: Wie entwickelt sich die Inflation in der Schweiz?
In diesem Jahr sehen wir einen Preisrückgang von 0.6%, im nächsten Jahr einen Anstieg um 0.7%, bei stagnierenden oder teilweise gar sinkenden Löhnen.
3.–16.7.2009 (14/2009) stocks: “Mit Zuversicht in die zweite Halbzeit”
- James W. Paulsen, Chefökonom, Wells Capital Management: Er ist überzeugt, dass die US-Wirtschaft im dritten und vierten Quartal wieder Zeichen der Gesundung zeigen wird.
- Malhotra, Clariden Leu: Er erwartet im Schlussquartal 2009 oder spätestens im ersten Quartal 2010 eine wirtschaftliche Erholung.
3.07.2009: Cash, “Die US-Rezession ist vorbei”
Für Thomas Herrmann, Ökonom der Credit Suisse mit Schwerpunkt USA, ist die US-Rezession vorbei. Deshalb sieht er die Aktienmärkte gut unterstützt.
Börse
Aus der folgenden Tabelle ist ersichtlich, dass sich die Kurse seit Jahresbeginn nur unwesentlich verändert haben. Die letzten 3 Spalten zeigen etwas Erstaunliches, um dem 9.03.2009 gab es neue Punktetiefs, seit diesem Datum haben die meisten Indizes 30% oder mehr zugelegt.
Ich kann nur hoffen, dass die Anleger nicht etwa ihre Aktien anfangs März verkauft haben und im Juni wieder eingestiegen sind, andernfalls haben sie im ersten Halbjahr 2009 riesige Verluste eingefahren. Viele andere Anleger wie auch ich haben diese 30%-Rally total oder teilweise verpasst und wollen jetzt nicht unbedingt einsteigen, obwohl viele Aktienprofis wieder einmal nur steigende Aktienkurse prognostizieren.
In den Monaten März und April war von den Aktienprofis nicht viel zu hören, sie erschienen erst wieder, als die Aktienkurse für eine länger Zeit gestiegen waren, damit haben sie einmal mehr bestätigt, dass ihre Prognosen oft zu spät kommen.
Es ist übrigens interessant sich die Prognosen dieser Strategen von 2008 für das 2008 nochmals vor die Augen zu führen, siehe “Prognosen Profis 2008″. Mit Philipp Bärtschi, Max Cotting, James W. Paulsen usw. sind es wieder dieselben Protagonisten, die schon vor einem Jahr mit ihren Prognosen völlig daneben lagen.
Wer im ersten Halbjahr 2009 einen Verlust von über 8% eingefahren hatte, sollte sich vom Investieren an den Börsen verabschieden. In einem solchen Fall hat er durch seine Spekulationen nur Geld verloren, wann will so jemand Geld gewinnen?
Die aktuellen Kurse vom 5.07.2009 zeigen in den folgenden Prognosen, dass nur wenige Aktienprofis am Jahresende bzw. Mitte 2010 einen tieferen Punktstand als heute erwarten.
Mai 2009: Swiss Private Banking Guide 2009, “Der Marktanteil der Vermögensverwalter nimmt zu”
Was heisst das für den weiteren Verlauf der Börse?
Antwort von Max Cotting, CEO, Vermögensverwaltungsgruppe Aquila:
Wir gehen von einer W‑förmigen Bewegung aus: Nach dem Abschwung 2008 folgt 2009 eine Konsolidierung auf niedrigem Niveau, 2010 könnten die Tiefstkurse nochmals getestet werden, und ab 2011 geht es dann wieder aufwärts.
23.06.2009: Cash, “SMI Ende Jahr bei 6400 Punkten”
“Es gibt keine fundamentalen Daten, die gegen eine weitere Erholung sprechen”, sagt Philipp Bärtschi, Anlagestratege bei der Basler Bank Sarasin. In der laufenden Korrektur könne der SMI vielleicht noch bis auf 5000 Punkte fallen, doch eine scharfe Korrektur erwartet Bärtschi nicht. Er rät deshalb Investoren, bei einem Indexstand unter 5000 Punkten einzusteigen. “Bis Ende Jahr dürfte der SMI gemäss unserem Modell bis auf 6400 Punkte steigen”, sagt der Anlageprofi.
29.06.2009: Tagesanzeiger, ” Einsteigen? Zuwarten? Die Börsentipps von vier Experten”
1.07.2009: Handelsblatt, “Aktien: Nicht mehr viel zu holen”
Person/Bank |
Dax Ende 2009 |
Carsten Klude, M.M. Warburg |
4400 |
Matthias Jörss, Chef-Aktienstratege, Privatbank |
4500–4800 |
Getrud Traud, Helaba |
5800 |
Andreas Hürkamp, Commerzbank |
5500 |
1.07.2009: Handelszeitung Nr. 27, “Blick auf die zweite Etappe”
- Alf Roelli, Senior-Finanzanalyst, Pictet: Er rechnet bei Technologiefirmen und Versicherungen mit positiven Gewinnüberraschungen.
- Christian Gattiker, Head Research, Julius Bär: Sieht den handelsorientierten Anlagestil im 2. Halbjahr im Vorteil.
- Sven Bucher, Leiter Equity Research, ZKB: Novartis, Logitech und Vetropack seien attraktiv bewertet.
Mein Portfolio
Die anteilmässige Zusammensetzung meines Portfolios hat sich nicht sehr stark geändert. Es gab einige wenige Gewinnmitnahmen bei den Aktien und bei gewissen Rohstoff-ETFs. Zurzeit übersteigen die Gewinne von 2009 knapp die Verluste von 2008. Zudem habe ich mit dem Verkauf von Obligationen einige Kursgewinne eingefahren, daher hat sich auch der Anteil der Obligationen leicht reduziert. Bei gewissen Unternehmensanleihen erwarte ich in den nächsten Monaten wieder Rückschläge, dies werde ich für Zukäufe nützen.
Was ich verkaufe bzw. kaufe, werden die Börsenkurse bestimmen, steigen die Kurse werden gewisse Gewinnmitnahmen bei den Aktien erfolgen und bei sinkenden Kursen werden meine Short-ETFs abgebaut.
Fremdwährungen
Mit einem Fremdwährungsanteil von 48% reagiert mein Portfolio sehr stark auf die Geldpolitik der SNB, letztmals am 25.06.2009 gab es wieder so eine SNB-Transaktion — normalerweise korrigieren sich solche Währungsausschläge innerhalb zwei oder drei Wochen wieder. Wenn beispielweise der CHF um 2% gegenüber den EUR, GBP, USD abgewertet wird, so entsteht in meinem auf CHF laufenden Portfolio ein Buchgewinn von fast 1%. Der grosse Anteil von Fremdwährungen entstand durch den Kauf des MSCI World ETF, MSCI Emerging Markets, gewisse Rohstoff ETFs und den Short-ETFs ETFs in EUR, zudem bevorzuge ich Sektor-ETFs vor dem Kauf eines Einzeltitels. Natürlich sind solche Sektoren nur im EUR- oder USD-Raum genügend gross um als ETF angeboten zu werden.
Meine Prognose
Die Kurse an den Börsen werden sehr stark vom US-Handel beeinflusst, daher leite ich meine Aussagen mehrheitlich auf Grund der US-Wirtschaft und US-Politik ab. Ich halte es für sehr optimistisch schon zu glauben die Wirtschaft sei stabilisiert, nur weil einige Wirtschaftsindikatoren für zwei oder drei Monate nicht mehr nach unten zeigten oder gar einen leichten Anstieg verzeichneten.
Die Obama-Administration versucht eine positive Konsumstimmung herbeizuführen, sie wollen unter allen Umständen eine Depression in den USA vermeiden. Sie glaubt eine Inflation kontrollieren zu können, aber keine Mittel gegen eine Depression zu haben. Auch orchestrierte sie die Insolvenzen der beiden Autokonzerne Chrysler und GM bisher hervorragend. Die Börse bewegte sich bei beiden Insolvenzen nach oben, als GM am 1.06.2009 die Insolvenz beantragte, wurde am selben Tag vom Konkursrichter der Verkauf von Chrysler an Fiat gutgeheissen. Wie oft haben wir in den letzten Monaten die folgenden Phrasen in Zusammenhang mit “green shoots??? gehört:
- “Glimmers of hope” in U.S. economy
- Economic contraction better than expected
- Job Losses at 345000, less than forecast
- Bernanke says U.S. recovery ahead
- Fed sees signs recession is easing
- U.S. economy near bottom
- U.S. leading economic indicators may signal recession will ease
All diese Sätze liessen die Aktienkurse weltweit steigen, unbeachtet der eingebrochenen Unternehmensgewinne. Es gelang sogar einigen US-Banken sich privat neues Kapital zu besorgen, was ich noch anfangs Jahr für unmöglich hielt, wie habe ich mich da geirrt.
Doch das scheinbare Perpetuum mobile mit dem Staatsanleihenverkauf bzw. ‑kauf vom US-Staat, an das FED und den Wallstreet-Banken kann nicht auf ewig praktiziert werden. Irgendeinmal werden die ausländischen Investoren nicht mehr bereit sein weiterhin die Verschuldung der USA zu finanzieren. Auch stecken die “toxischen Wertpapiere??? noch immer in den Bilanzen der US-Banken, die Begeisterung für Geithners Public-Private Investment Program (PPIP) ist völlig abhandengekommen.
Einige Gründe, warum sich die Wirtschaft vielleicht doch nicht so schell erholt, wie dies die Aktienbörse zurzeit suggeriert:
- Ein Wirtschaftsbremser kann das Öl spielen, sobald der USD an Wert verliert oder es besser Konjunkturdaten gibt, wird dieses mit Spekulationen verteuert.
- Um wieder zu einem soliden Wirtschaftswachstum zu kommen, braucht es einen “Wirtschaftsmotor”. Der Konsum auf Pump bzw. auf der Spekulation von steigenden Immobilienpreisen, wie bis zum Jahr 2008 in den USA, England, Spanien, Osteuropa usw. praktiziert, wird es wahrscheinlich nicht sein.
- Nach den Daten der Welthandelsorganisation (WTO) haben 30 ihrer 153 Mitgliedstaaten staatliche Konjunkturprogramme auf den Weg gebracht. 19 Länder unterstützen Banken, die durch die Finanz- und Wirtschaftskrise in Schwierigkeiten geraten sind. Im Sog der Weltrezession befürchtet die WTO einen weiteren Anstieg der Anti-Dumping-Initiativen, der “vielleicht historische Dimensionen erreicht”. Zudem besteht die Gefahr, dass die Nationen mit ihrem aufgelegten Konjunkturprogrammen eine Bevorzugung “Buy Local” in die Wege leiten. Diese Entwicklung ist gerade für Exportnationen wie Deutschland, Japan, China und Schweiz nicht wirtschaftsfördernd.
- Die Abwrackprämie halte ich für eine vorübergehende Stimulierung der Wirtschaft, danach droht im Jahr 2010 der grosse Kater. Die USA will diese dümmliche Idee einer Abwrackprämie von Deutschland importieren, um auch ihre Überkapazitäten der Autoindustrie am Leben zu erhalten.
Am 8.07.2009 wird Alcoa Inc. als Erster des Dow Jones Industrial seine 2Q Unternehmenszahlen 2009 bekannt geben. Wahrscheinlich werden die Bilanzzahlen sowie die abgegeben Ausblicke der Unternehmen die Aktienkurse für die nächsten 2 Monate bestimmen.