Die Echtzeit-Berichterstattung von SRF ist kaum nachhaltig insbesondere bei den Börsenmeldungen.
Die Nachhaltigkeit des Wirtschaftsjournalismus tendiert gegen Null
Seit dem Jahre 2010 veröffentlicht der Forschungsbereich Öffentlichkeit und Gesellschaft / Universität Zürich ein Jahrbuch über die Qualität der Medien. Einer der Mitautoren ist der Medienwissenschaftler Kurt Imhof, hierzu ein Ausschnitt seiner Kritik an der Wirtschaftsberichterstattung:
Quelle: SRF Trend vom 23.10.2010 — Kurt Imhof: Wirtschaftsjournalismus in der Krise?
SRF bestätigt leider Herr Imhofs Darstellungen, allzu oft verfolgt das SRF das Geschehn im Rhythmus der Aktienkurse. Hierzu drei Beispiele aus einer Vielzahl von einer angeblich plausiblen Bewertung eines Ereignisses durch die Finanzmärkte. Dabei orientiert sich die Berichterstattung von SRF meistens an den Tageskursen von Aktien – die Medien sind sehr kurzatmig geworden.
Finanzmärkte und die oberflächliche Wirtschaftsredaktion von SRF
Für die Überhöhung eines Themas vergreift sich die Wirtschaftsredaktion von SRF gerne bei den Tageskursen der Finanzmärkte.
Fernsehen SRF und Aktienkurse
Ich schaue nur noch sehr selten die Tagesschau oder 10vor10 der Schweizer Fernsehen. Ich kann mich wenig anfreunden mit den auf Show ausgelegten Nachrichtensendungen. In diesen Nachrichtenmagazinen werden gewisse Ereignisse öfters von sogenannten internen oder externen Experten aufgrund von spekulativen Informationen oberflächlich bewertet. Gerade das tägliche Auf und Ab an den Finanzmärkten, bevorzugt der Aktienmärkte, wird völlig missbräuchlich angewendet:
Quelle: SRF, 10vor10 vom 26.02.2013 — Chaos-Wahlen in Italien
Am 24. und 25. Februar 2013 wählten die Italiener die beiden Kammern ihres Parlamentes neu. Die dabei entstandenen unklaren Mehrheitsverhältnisse erschweren die Regierungsbildung. Das 10vor10 missbraucht den Tageskurs des Deutschen Aktienindex DAX vom 26.02.2013 für die Wertung des Wahlergebnisses in Italien.
Wird der DAX über den Zeitraum von circa einem Monat um den 26.02.2013 betrachtet, so ist keine negative oder positive Auswirkung der Wahlergebnisse von Italien auf den DAX ersichtlich. Die Kausalität des Wahlergebnisses auf den italienische Leitindex FTSE MIB trifft sicherlich zu. Leider ist SRF diesbezüglich nicht lernfähig und überbewertet die kurzfristige Preisbildung an den Finanzmärkten in ihrer Berichterstattung. Das Radio von SRF ist nicht besser, hiezu das nächste Beispiel.
Radio SRF und Aktienkurse
Im Sommer 2012 kritisierte die SNB die zu tiefe Eigenkapitalisierung der Credit Suisse (CS). Nach einem Monat des Widerstands wurde am 18.07.2012 eine Kapitalaufstockung durch die CS bekannt gegeben:
Quelle: DRS1, Rendez-vous vom 18.07.2012 — Credit Suisse stärkt ihr Eigenkapital
Dass die Verarbeitung von neuen Informationen für die Preisbildung an den Aktienmärkten auch mehrere Tage dauern kann, haben die kurzfristig orientierten Wirtschaftsjournalisten von SRF scheinbar noch nicht durchschaut. Im folgenden Chart wird der ComStage ETF STOXX® Europe 600 Banks in CHF mit dem Aktienkurs der CS verglichen. An dem besagten Tag stieg der Aktienkurse der CS und danach verwandelte sich diese eintägige Outperformance in eine Unterperformance:
Über diese Tatsache gibt es natürlich keine Berichterstattung. Der Zuseher bzw. Zuhörer bleibt letztendlich falsch informiert zurück.
SRF Börse Desinformation zur besten Sendezeit
In folgenden wird die Aussage von Mario Draghi dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank nur aufgrund der fallenden Aktienkurse negativ beurteilt. Mit Scheinplausibilitäten konstruiert SRF circa 2 Minuten Sendezeit, um Draghis Worte in einem negativen Licht erscheinen zu lassen.
Quelle: SRF Börse vom 2.08.2012 — Draghi enttäuscht die Anleger
Am folgenden Tag und in den folgenden Monaten wurden diese Aussagen an den Finanzmärkten jedoch positiv beurteilt. Schon einen Tag später hatten die Aktienindizes des DAX, IBEX 35 und FTSE MIB das Niveau des 1.08.2012 wieder erreicht:
Den Irrtum des Vortages war SF Börse nicht mehr Wert als die paar Worte: Manchmal reicht es offenbar eine Nacht darüber zu schlafen:
Quelle: SRF Börse vom 3.08.2012
SRF Börse opferte gerade mal 10 Sekunden für dieses Faktum. Es ist weiteres Beispiel, mit welchen asymmetrischen Informationen diese Sendung ihre Zuseher nötigt. Es zeigt auch, dass gewisse JournalistInnen verantwortungslos mit dilettantischen Inhalten dem Zuschauer die Zeit stehlen. Jedenfalls würde ich mich nach dieser fragwürdigen und dramatisierten 2‑minütigen Ursachen- und Wirkungsanalyse meine Glaubwürdigkeit hinterfragen.
Fazit
Hinsichtlich Börsenmeldungen ist SRF zu einem inhaltslosen Meldeautomaten verkommen. Offenbar operiert die Wirtschaftsredaktion bei der historischen Überprüfung der Wertigkeit ihrer Aussagen in einer Dunkelkammer. Auch wenn ich SRF wenig und vorwiegend on Demand konsumiere, ist hinsichtlich ihrer Marktkommentatoren kein Fortschritt erkennbar. Das mit SRG-Generaldirektor Roger de Weck das Qualitätsfernsehen die seichte Unterhaltung aus dem Programm drängen würde, hat sich leider nicht bestätig.
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