Als ich am 5.09.2011 den ers­ten Beitrag die­se Serie schrieb, hiess der dama­li­ge Titel “Der Schweizer Franken, die Zockerwährung schlecht­hin”. Nur einen Tag nach die­ser Abhandlung wur­de der Mindestkurs des CHF zum EUR ein­ge­führt, daher set­ze ich den heu­ti­gen Titel für die­sen zwei­ten Teil in die Vergangenheit.

Je höher der finan­zi­el­le Stress im Euroraum und der Zunahme der Exponierung der Nationalbank (SNB) in deren Währung je mehr prä­sen­tie­ren uns die Medien angeb­li­che Experten mit ihren Voraussagen über die Auswirkungen die­ses Mindestkurses auf die Zukunft. Geschickter sind teil­wei­se die Politiker, die­se reagie­ren inner­halb von weni­gen Monaten mit 180-Grad-Kehrwenden, die­se sind sich anschei­nend um die Schnelligkeit im Vergessen ihrer Wählerschaft sehr bewusst.

Ich hal­te mich in die­sem Beitrag mit Beurteilung bezüg­lich der Zweckmässigkeit die­ses Mindestkurses zurück, viel­mehr soll­te es dem Leser eini­ge Anregung zum Nachdenken geben. Übrigens habe ich im Beitrag “Der Sinneswandel bei Blocher, Schiltknecht und Weltwoche” kurz die Problematik der Währungsspekulation mit dem CHF angeschnitten.

Das fragile Geldsystem

Täglich “ren­nen” wir mehr oder weni­ger stark dem Geld nach, denn unse­rer per­sön­li­cher Status ori­en­tiert sich in die­ser Konsumwelt sehr am mate­ri­el­len Wohlstand. Auch unser all­täg­li­ches Leben wird von der öko­no­mi­schen Sicht domi­niert. In den Nachrichten kommt bei­spiels­wei­se kurz nach der Bekanntgabe einer Katastrophe sofort eine finan­zi­el­le Einschätzung des Schadens. Noch teil­wei­se vor den Nachrichten kommt die Präsentation der Aktienkurse als schein­ba­res Fieberthermometer der Weltwirtschaft. Wählen die Griechen eine neue Regierung, wird am Morgen danach die Wahl nach dem Börsenverlauf der asia­ti­schen Finanzmärkte beur­teilt. Gesellschaftlich wün­schens­wer­te Projekte wer­den auf­grund der Kostenschätzung früh­zei­tig beer­digt. Das Geld, die Finanzmärkte und eini­ge frag­li­che sta­tis­ti­sche Daten haben einen immensen direk­ten bzw. indi­rek­ten Einfluss auf unser Alltagsleben. Erstaunlicherweise basiert all dies auf einem fra­gi­len Geldsystem, das sei­ner­seits auf Vertrauen baut:


Quelle: ZDF heu­te jour­nal vom 15.08.2011 — Glauben gibt dem Geld den Wert

In der obli­ga­to­ri­schen Grundschule ler­nen wir kaum etwas über Ökonomie und unser Geldsystem. Vielleicht ist dies aber Absicht. Was sag­te einst Henry Ford:

Würden die Menschen ver­ste­hen, wie unser Geldsystem funk­tio­niert, hät­ten wir eine Revolution – und zwar schon mor­gen früh.

Der Untergangsmaler

Noch im August 2008 muss­te man für einen Euro mehr als CHF 1.60 in die Hand neh­men. Ich wäre wahr­schein­lich damals für ver­rückt erklärt wor­den, wenn ich behaup­te­te, dass in den Jahren 2011 und 2012 der Euro im Durchschnitt cir­ca 25% weni­ger kos­ten wür­de. Ich hät­te mir Untergangsszenarien der schwei­ze­ri­schen Exportwirtschaft anhö­ren müssen.

Es ist immer wie­der ver­blüf­fend, dass wir uns an unaus­weich­li­chen Gegebenheiten schnel­ler anpas­sen, als wir uns zuvor je vor­stel­len konn­ten. Wahrscheinlich wür­de mir Bundesrat Schneider-Ammann zustimmen.

Der Schwarzmaler Bundesrat Schneider-Ammann

Als Präsident der Swissmem lamen­tier­te Schneider-Ammann regel­mäs­sig über den star­ken Franken und dies bei einem Wechselkurs von noch über 1.40.


Quelle: DRS1 vom 6.05.2010 — Johann Schneider-Ammann, 1 Euro kos­tet nur noch 1.40 Franken

Heute als Bundesrat gibt sich Johann Schneider-Ammann mit dem Euro-Mindestkurs von CHF 1.20 zufrieden:

Quelle: DRS1 vom 26.05.2012 — Bundesrat Schneider-Ammann, zufrie­den mit Mindestkurs
Seit die­ser Festsetzung fühlt sich der Wirtschaftsminister und damit Politik nicht mehr in der Verantwortung, nach mög­li­chen Alternativen zu die­sem Mindestkurs neben der Geldpolitik zu suchen. Beispielsweise ist der Druck auf die Importeure für die Weitergabe der Währungsgewinne abgeklungen.

Der vielleicht Irrende und der Wendehals

Es gibt Experten und Politiker, die sich mög­li­cher­wei­se irr­ten bzw. ihre Meinung änderten.

Hans Geiger, Emeritierter Professor für Banking

Ab dem 3.08.2011 inter­ve­nier­te die SNB gegen die Frankenstärke mit der Erhöhung der Sichtguthaben der Banken sowie durch die Reduzierung des Dreimonats-Libor in einem Zielband von 0 – 0.25. Hans Geiger äus­ser­te sich damals sehr kritisch:


Quelle: DRS1, Echo der Zeit vom 3.08.2011 — Moderates Rezept gegen Frankenstärke

Am 10.08.2011 erfolg­te die zwei­te Intervention mit der Aufstockung des Sichtguthabens und den Devisenswap-Geschäften. Auch die­se Vorhaben zeig­te damals kaum Wirkung auf die Abschwächung des CHF, erst die Einführung des Mindestkurses von 1.20 brach­te die erwünsch­te Stabilisierung.

Hans Geiger bleibt kri­tisch gegen­über den Interventionen der Nationalbank, sie­he dazu “Hans Geiger äus­sert sich staats­kri­tisch zu den Interventionen der Nationalbank”.

Der Wendehals und Nationalrat Christoph Blocher

Über die 180-Grad-Kehrwende von Herrn Blocher habe ich schon ein­mal geschrie­ben, sie­he “Der Sinneswandel bei Blocher, Schiltknecht und Weltwoche”. Die Aussage von Christoph Blocher vor der Fixierung des Euro-Mindestkurses:


Quelle: Teleblocher vom 21.01.2011 — SNB und Devisenkäufe

Im Folgendem übt sich Herr Blocher in der Kriegsrhetorik für die Verteidigung der Franken-Untergrenze:


Quelle: Teleblocher vom 9.09.2011 — SNB, Krieg und Mindestkurs CHF/EUR

Die Antwort: “Dann kauf die Nationalbank Devisen” auf die letz­te Frage steht im völ­li­gen Widerspruch zu sei­ner Aussage vom 21.01.2011.

Eine Woche spä­ter wur­de aus der Kriegsrhetorik eine defen­si­ve und ängst­li­che Haltung. Schlägt die Strategie der SNB mit dem Mindestkurs fehl, wird sich Blocher auf die­se Aussage beru­fen. Er hat­te es schon immer bes­ser gewusst und hät­te es somit anders gemacht:


Quelle: Teleblocher vom 15.09.2011 — SNB, Fraglicher Mindestkurs CHF/EUR
Blocher bläst zum Rückzugsgefecht

In sei­ner stumpf­sin­ni­gen Kriegsrhetorik aus­ge­drückt, bläst heu­te Herr Blocher aber schon nach hal­ber Schlacht zum Rückzug:

Die SNB muss sich bewusst sein, dass der Mindestkurs von 1.20 lang­fris­tig nicht durch­setz­bar ist. Irgendwann muss wie­der der freie Markt den Devisenkurs bestim­men kön­nen.» Darum habe Oswald Grübel «grund­sätz­lich recht». Ein Fragezeichen setzt Blocher beim Zeitpunkt: «Wann der rich­ti­ge Moment da ist, um den Kurs wie­der frei schwan­ken zu las­sen, muss letzt­lich die Nationalbank entscheiden.»
Quelle: 20 Minuten, 3.06.2012, Bürgerliche war­nen vor dem “gros­sen Knall

Nachdem in der Bilanz der SNB im Mai 2012 die Devisenreserven um CHF 66 Milliarden anstie­gen, bekom­men schein­bar eini­ge unse­rer Politiker Angst ab ihrem eig­nen Mut.

Die Kritiker

Oswald Grübel sprach sich immer gegen die Fixierung eines Mindestkurse aus. Nicht so Herr Bigler, die­ser begrüss­te zu Beginn die Kursuntergrenze.

Ex-Grossbankenchef Grübel

Oswald Grübel ist der Meinung, dass eine star­ke Währung bes­ser für die Industrie ist. Es för­dert bei­spiels­wei­se Innovation und Automation und erhöht den Lebensstandard, spe­zi­ell in einem rei­chen Land wie der Schweiz. In die­sen zwei Minuten macht er noch eini­ge ande­re inter­es­san­te Aussagen:


Quelle: Oswald Grübel, Albisgüetli, 20.01.2012 — Frankenkurs

SGV-Direktor Hans-Ulrich Bigler

Der Verbandsapparatschik Bigler äus­sert sich nun sehr kri­tisch gegen­über dem Mindestkurs:

Bigler ist der Meinung, dass die SNB mit ihrer Währungspolitik den Boden für eine tie­fe Wirtschaftskrise in der Schweiz berei­tet. «Man kann nicht lang­fris­tig gegen den Preis kämp­fen, ohne vom Markt dafür bestraft zu wer­den.» Über kurz oder lang müs­se die SNB die Geldmenge wie­der redu­zie­ren. «Das ist noch nie ohne Rezession oder Inflation geschehen.»

Bigler geht noch wei­ter: Er wirft der Nationalbank Kompetenzüberschreitung bei der Regulierung der Banken vor. «In Übertretung ihres Mandats» wol­le die SNB die Risiken der Banken über­wa­chen und Vorschriften erlas­sen, wie die Risiken ein­zu­däm­men seien.
Gleichzeitig wer­de die Notenbank mit ihrer laschen Geldpolitik und den Devisenkäufen sel­ber zu einer Bedrohung der Volkswirtschaft.

«Unter den Banken ist sie bereits heu­te die­je­ni­ge, die höchs­te sys­te­mi­sche Risiken ver­zeich­net. Wäre sie den nor­ma­len Umständen des Marktes ver­pflich­tet, müss­te sie ihre Bilanz depo­nie­ren.» Die Nationalbank sei zu einem «eigen­ka­pi­tal­lo­sen Ungetüm» gewor­den, kri­ti­siert Bigler «Ihre auf­ge­bläh­te Bilanz ist mit einer Blase zu ver­glei­chen, und des­halb stellt die SNB heu­te die gröss­te Bürde für die Öffentlichkeit dar.»
Quelle: Sonntags Zeitung vom 10.06.2012

Warum die Bilanz der SNB etwa um den Faktor 6 höher liegt, als die der Zentralbank von Schweden wirft schon eini­ge Fragen auf. Anderseits passt die SNB-Bilanz zu der unnö­tig hohen Exponierung der Schweiz an den inter­na­tio­na­len Finanzmärkten.

Die Vorschläge der Pseudoexperten

Nicht nur im Fussball ist jeder Zuschauer der bes­te Trainer auch in der Geldpolitik gibt es zur­zeit ein infla­tio­nä­res Wachstum von Experten.

Die Idee des Staatsfonds

SVP-Nationalrat Peter Spuhler spricht sich gar für einen Staatsfonds aus. Der Nationalrat war einst UBS-Verwaltungsrat, als sich die Grossbank im US-Hypothekengeschäft kata­stro­phal ver­spe­ku­lier­te. Er mag viel von Bahntechnik und der Maschinenindustrie ver­ste­hen, dies macht ihn nicht auto­ma­tisch zu einem Experten der Geldpolitik. Die Schweiz spielt schon eine über­di­men­sio­nier­te Rolle im glo­ba­len Finanzkasino, eine Reduzierung wäre viel eher ange­bracht als eine Ausweitung. Ob die­ser Herr und sei­ne Anhänger die Risiken der Spekulation mit gedruck­tem Geld in län­ger­fris­ti­gen Engagements rich­tig einschätzen…

Offensichtlich ist Herrn Spuler die Wahl zum Unternehmer 2011, der Handelszeitung, in den Kopf gestie­gen. Was sol­che oder ähn­li­che Titel Wert sind, ken­nen wir genü­gend aus der Vergangenheit. Ich erin­ne­re hier an das hoch­ge­ju­bel­te UBS-Führungsgespann Marcel Ospel und Peter Wuffli, die­se teil­ten übri­gens mit Peter Spuhler die Vergangenheit bei der UBS. Offensichtlich sind Herr Spuler und eini­ge sei­ner SVP-Kumpane dem “All In” ver­fal­len, zur Therapie emp­feh­le ich die­sen Herren das Pokerspiel.

In Island wur­den aus Fischer auch kurz­zei­tig Investmentbanker, bis der gros­se Absturz kam. Heute gehen die­se Menschen wie­der ihrem tra­di­tio­nel­len Gewerbe nach, wel­ches sie im Übrigen sehr gut beherrschen. 

Wechselkursziel für einen Währungskorb

Dieser Vorschlag sieht die Lösung in einem Mindestkurs auf einen Währungskorb oder auf die drei wich­tigs­ten Weltwährungen. Diese Idee scheint auf den ers­ten Blick sehr ver­füh­re­risch, wür­den doch damit die Risiken diver­si­fi­ziert. Sicherlich die spe­ku­la­ti­ven Übertreibungen eines star­ken Franken wür­den damit wei­ter­hin vermieden. 

Eine dyna­mi­sche Gewichtung der Anteile der ein­zel­nen Devisen wür­de nicht ver­hin­dern, dass der CHF gegen­über dem EUR sehr stark wer­den kann. Anderseits bei einer sta­tisch ori­en­tier­ten Gewichtung der Anteile blie­ben die Risiken des EUR im Portfolio immer noch hoch. Angenommen der Währungskorb bestün­de aus EUR, USD und JPY, dann sind der USD und JPY bes­ten­falls die Einäugigen unter dem Blinden. 

Zurzeit spielt die SNB mit die­sem Mindestkurs ein ein­fa­ches Spiel, sie ist die über­mäch­ti­ge Spielerin, die sich ein­fa­cher Instrumente bedie­nen kann. Grundsätzlich ist die­ses Spiel für Spekulanten wenig attrak­tiv. Durch die Setzung eines Mindestkurses gegen­über einem Währungskorb wür­de das Spiel erheb­lich ver­kom­pli­ziert, es gäbe viel mehr Varianten, was die smar­ten Spekulanten anzie­hen wür­de und sich dies nega­tiv in der Bilanz der SNB aus­wir­ken könnte.

Fazit

Die Nationen ver­su­chen in der glo­ba­li­sier­ten Welt mit Subventionen, Straffzöllen, Währungsmanipulationen usw. den Wettbewerb zu ihren eige­nen Gunsten zu beein­flus­sen. Gewisse die­ser Manipulationen för­dern Gegenreaktionen, wel­che die Gefahr einer nega­ti­ven Kettenreaktion erhö­hen. Ob die Festsetzung eines Mindestkurses ein pro­ba­tes Mittel der Manipulation ist, sei dahin gestellt. 

Letztendlich trägt die SNB die Verantwortung für die schwei­ze­ri­sche Geldpolitik und ich bin über­zeugt, dass die ihr Geschäft bes­ser ver­ste­hen als die selbst ernann­ten Experten. Vor der Fixierung des Wechselkurses haben die Währungshüter sicher­lich die Wahrscheinlichkeiten für die unter­schied­li­chen Ereignispfade simu­liert und dazu gehö­ren auch “Horrorszenarien”. Natürlich war sie auf­grund der Fantasielosigkeit unse­rer Politiker und Wirtschaftselite in einen unnö­ti­gen Zugzwang gebracht wor­den. Ich bin dies­be­züg­lich glück­lich, dass ich mei­ne Arbeit ohne die nutz­lo­sen Ratschläge der Politiker oder Pseudoexperten durch­füh­ren kann.

Mit den bei­den Grossbanken und der gigan­ti­schen Bilanz der Nationalbank im Verhältnis zur schwei­ze­ri­schen Wirtschaftsleistung fährt die Schweiz eine Hochrisikostrategie an den inter­na­tio­na­len Finanzmärkten. Wenn der Absturz des Finanzsystems zur Realität wür­de, dann wer­den wir den hohen Preis die­ser Strategie noch bedauern.

Die PIIGS wer­den teil­wei­se auch unbe­grün­det die Schlagzeilen auch in der nähe­ren Zukunft an den Finanzmärkten prä­gen. Der ulti­ma­ti­ve Befreiungsschlag im Euroraum wird auf sich war­ten las­sen, damit wird der Aufwärtsdruck auf den CHF wei­ter bestehen. Anderseits sind UK, Japan und USA mit ihren impli­zi­ten Staatsverschuldungen noch höher ver­schul­det als die PIIGS. Nur sind USA aber auch UK die gröss­ten Gastgeber der Finanzmärkte und wer­den durch die­se über­ge­büh­rend von der nega­ti­ven Kritik verschont.

Das Geld ist solan­ge mehr als nur ein bedruck­tes Papier, wie ihre Wirtschaftssubjekte die­sen Schuldscheinen noch ver­trau­en. Wird die­ses Vertrauen über­stra­pa­ziert, wer­den die Menschen den Versprechungen die­ser Noten nicht mehr trau­en. In die­ser Hinsicht stellt sich die Frage, ob die Kritik an die Verwalter die­ser bedruck­ten Papiere die Lebensdauer des Fiat-Geldes nicht noch mehr verkürzt.

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